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„Gedanken für den Tag“ mit Katharina Stemberger

Tag 5

Nach vielen Gesprächen mit privaten Quartiergebern, Pfarren und Bürgermeistern führt mich mein Weg auch nach Salzburg.

Doraja Eberle, eine Galionsfigur der gelebten Mitmenschlichkeit, eine Frau der Tat und ich haben einen Termin bei Erzbischof Franz Lackner. Wir tragen ihm unser Anliegen vor: Wir wollen einen Weg finden, um eine Rettungsbrücke zwischen den Familien in den Lagern in Griechenland und den Pfarren und Familien hier in Österreich zu schlagen. Er hört uns zu, ist mitfühlend und überrascht, als ich ihm von den über 2000 Menschen mit positivem Asylbescheid erzähle, die allein auf Lesbos festsitzen. Das Gespräch ist gut, freundlich und bestärkend.

Danach sitze ich am Kapitelplatz auf einer Bank und telefoniere. Ein älterer Mann schiebt sein Fahrrad vorbei, bescheidenes Äußeres, warme, aber nicht neue Jacke. Wollfäustlinge. Er bleibt stehen und betrachtet mich genau. Mir wird klar, dass ich mein Telefonat unterbrechen muss.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Er: „Sind Sie die Frau Stemberger?“ Ich: „Ja.“ Er: „Kommt Ihre Familie aus der Ramsau?“ Ich: „Ja, väterlicherseits.“ Er leuchtet auf: „Ihr Großvater hat meinem Vater das Leben gerettet!“

Wir schauen uns an. Zwei, drei Herzschläge lang passiert gar nichts. Wir sind plötzlich verbunden, obwohl wir uns nicht kennen. Mein Großvater war ein sehr engagierter Allgemeinmediziner, ein richtiger Gemeindearzt, der für seine Patientinnen und Patienten lebte. Der fremde Mann, der nicht mehr ganz fremd ist, erzählt mir die Kranken- und Heilungsgeschichte seines Vaters. Ich freue mich über den guten Ausgang der Ereignisse.

Und dann sind wir eigentlich am Ende unseres Gespräches, doch er setzt noch einmal an: „Sie bemühen sich doch auch um die Menschen in diesen grässlichen Lagern in Griechenland.“ Ich: „Ja“ Er: „Ganz ehrlich, das ist eine Sauerei, die Leut‘ so im Stich zu lassen. Für alles hab ma Geld, aber da ein paar Familien aufzunehmen, des is doch keine Hexerei. Jedes Land ein paar und die Sache ist erledigt.“ Ich: „Ja, da haben Sie recht. Das muss anders werden.“ Es beginnt zu regnen und wir verabschieden uns.

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