Tag 2
Nikos und Katerina betreiben die kleine NGO vor Ort mit dem Namen „Home for All“. Sie sorgen täglich für über 1200 warme Mahlzeiten, damit wenigstens die besonders Vulnerablen im Lager Moria 2 einmal am Tag ein warmes Essen bekommen. Besonders die Mütter mit den Neugeborenen und die Alten und Kranken. Ich habe viel von ihnen und ihrer Arbeit gehört und bin sehr neugierig, ihnen dabei live zu begegnen.
Es ist 11 Uhr am Vormittag. In dem kleinen Haus, das ebenerdig eine große Küche und eine Art Schankraum beherbergt, ist reger Betrieb. Überall stapeln sich Lebensmittel. Große Reissäcke, Paletten mit Dosen, Zucker, Mehl, Öl. Dazwischen große Warmhalteboxen. Es herrscht ein emsiges, konzentriertes Treiben. Nikos und Katerina dirigieren die Köche und Helferinnen.
Die Zeit drängt, jeder Handgriff sitzt. Die Abläufe sind seit Monaten unverzichtbare Routine. Ich werde vorgestellt. Auf Grund der Masken sehe ich nur Augenpaare. Es liegt eine große Klarheit, eine Genauigkeit in diesen Augen, fast ist der Blick ein bisschen streng. Ich habe Fragen, aber sie haben keine Zeit zu antworten. Ich fühle mich deplatziert, ich kann nichts beitragen. Ich bin da, um hinzuschauen und um das Gesehene nach Hause zu tragen.
Dann schnappt Nikos mich an der Hand und wir gehen vor die Türe. Es ist kalt, aber sonnig. Ich frage ihn, was ihn antreibt, sich tagtäglich von der Früh bis in die späte Nacht für die Menschen in dem Flüchtlingslager einzusetzen. Er hat die Maske runtergenommen. Sein Gesicht ist das eines gastfreundlichen Griechen, wie er in meinem Urlaubsbuche steht. Er denkt nach und sagt dann: „Ich versuche etwas beizutragen, dass diese Menschen nicht ganz ihre Würde verlieren, nur so kann ich meine behalten.“ Er lächelt, klopft mir auf die Schulter und beginnt, den Van zu beladen.